WAS HEISST SYSTEMISCHER ANSATZ?

Das Faszinierende beim systemischen Ansatz ist, meiner Meinung nach, dass er die Illusion auflöst, dass wir als Fachleute über psychische Krankheiten und deren Behandlung Bescheid wissen. Die Theorien des Konstruktivismus und des sozialen Konstruktionismus sehen jedes psychische Problem als eine Konstruktion an, und zwar auf der Ebene der verbalen Kommunikation.

 

Der Therapeut ist ein Beobachter, der nicht unabhängig vom beobachteten System sein kann. Diese Ansicht gehört zu den großen Vorteilen des systemischen Ansatzes, denn die Therapeuten verlieren dadurch die Macht des Experten und werden menschlicher.

 

In der systemischen Praxis wird der Pathologie-Begriff als nicht nützlich betrachtet. Wenn wir die Realität durch eine Diagnose vereinfachen, sollten wir uns dessen bewusst sein und angeben, dass diese Vereinfachungen subjektive Konstruktionen sind. Systemisches Denken bietet eine andere Herangehensweise, die der Realitätskomplexität gerechter werden soll.

 

Einfach ausgedrückt, das Problem oder die Schwierigkeit eines Einzelnen hängt von seinen Beziehungen, den finanziellen und sozial-politischen Umständen, seinen Kindheitserfahrungen, seiner Sensibilität und anderen Faktoren sowie von der Kombination von alle dem ab. Fachleute, die systemisch denken und arbeiten, berücksichtigen all diese Faktoren in einem konstruktiven Dialog mit ihren Klienten. Sie stellen keine Diagnosen als Experten fest, sondern untersuchen in Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden die Bedeutung ihrer Probleme, alternative Perspektiven und Möglichkeiten.

 

Das Gespräch kann abstrakt, metaphorisch oder praktisch sein, entsprechend den Anliegen der Klienten. Das Resultat ist meist Entlastung, Ermutigung und neue Handlungsimpulse.

 

Virginia Ioannidou